Welchen Stellenwert nimmt das Landetraining in unserem Sport ein?

März 10, 2022
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März 10, 2022 Jasmin

Welchen Stellenwert nimmt das Landetraining in unserem Sport ein?

In jedem Voltigiertraining, in dem unsere SportlerInnen auf das Pferd springen, müssen sie auch wieder runter. Jedes Mal wenn eine Übung auf dem Holzpferd geübt wird, macht er danach einen mehr oder weniger schweren Abgang, um das Gerät wieder zu verlassen. Somit sind Landungen aus unserem Training nicht wegzudenken – dass wir uns mit dem Thema beschäftigen sollten, naheliegend.

Doch wie wichtig ist das Landetraining wirklich? Einen wie großen Teil unseres eh schon so vielschichtigen Trainings sollte eine so kurzweilige Übung einnehmen?

Ich habe im Januar 2021 zusammen mit Physiotherapeutin und Voltigiertrainerin Sina Reinhardt (VRG Schäferhof/BBR) ein Online-Seminar über „Landetraining im Voltigiersport. Die Schlüsselrolle der Variation.“ ausgearbeitet. In einer einstündigen Theorieeinheit (vorab online zugänglich) und zwei jeweils dreistündigen Live-Praxiseinheiten für Basis- und Leistungssportler haben wir versucht, den Teilnehmern das Thema aus sportwissenschaftlicher sowie physiotherapeutischer Sicht nahe zu bringen.

In diesem Artikel möchte ich mich inhaltlich auf unsere gemeinsame Arbeit stützen.

 

Einfluss der Landung auf den Körper

Die Kräfte, die unsere VoltigiererInnen bei der Landung begleiten sind so umfangreich wie teilweise sehr unberechenbar. Physikalische Kräfte wie die Fliehkraft, die Schwerkraft oder die Trägheitskraft wirken in verschiedene Richtungen auf die jungen Körper ein. Unebene Böden mit verschiedenen Härtegraden macht die Landung noch weniger berechenbar.

Darüber hinaus gibt es 400 Skelettmuskeln, große Freiheitsgrade der Gelenke sowie die Elastizität der Muskeln, Sehnen und Bänder, die der Körper noch „nebenbei“ als Herausforderung zu meistern hat. Auch die psychologischen Zustände (z.B. Angst oder Mut) können Wirkung auf die Bewegungsausführung haben und sind somit an der Landungsqualität indirekt beteiligt.

Das Ergebnis aus diesen Überlegungen war für Sina und mich, dass die Komplexität unseres Sportes uns eigentlich dazu zwingt, uns mit Grundkenntnissen der Biomechanik auseinanderzusetzen, um unsere VoltigiererInnen bestmöglich vor Verletzungen zu schützen – vor allem bei Übungen wie der Landung, die mit so vielen Krafteinwirkungen verbunden ist.

 

Einblick in die Biomechanik der Landung

Betrachtet man nun speziell die Landung (Pflicht- und Kürabgänge!) aus biomechanischer Sicht, so stellt sich schnell heraus, dass dabei die sehr hohen Kräfte von außen direkt auf die körperlichen Strukturen einwirken. Bei falscher Ausführung (z.B. Abweichung von der korrekten Beinachse) sowie zu schwacher Muskulatur des Rumpfes und der Beine kann es schnell zu akuten – aber vor allem auch langfristigen Schäden des Körpers führen. Nicht nur Verletzungen an den unteren Extremitäten, sondern auch Schädigungen der Wirbelsäule aufgrund von Stauchungen bei jeder nicht optimal ausgeführten Landung, können die VoltigiererInnen in ihrem Training für lange Zeit zurückwerfen oder sogar aus dem Sport ausschließen.

Ein adäquates körperliches Training, praxisnahe Übungen sowie individuelle Korrektur der Landung sind Voraussetzung für eine bestmögliche Verletzungsprophylaxe. Sina und ich unterstrichen in unserem Seminar, das damit wirklich JEDE einzelne Landung gemeint ist. In jeder Landung wirken Kräfte auf den Körper! In jeder Landung, die der korrekten abweicht, können Knorpel, Bänder, Sehnen und andere Strukturen in Mitleidenschaft gezogen werden! Vielleicht nicht beim ersten Mal – aber mit Sicherheit nach mehreren Wiederholungen – die in unserem Training, wie erwähnt, nicht vermeidbar sind.

 

Tipps für die Praxisumsetzung

Die von außen wirkenden Kräfte sind bei jeder Landung ein wenig anders und die Bodenbeschaffenheit nicht immer beeinflussbar. Der Punkt, bei dem wir als TrainerInnen ansetzen können, ist somit das körperliche Training.

Was können wir tun, damit unsere VoltigiererInnen jedes Training gut vorbereitet vom Pferd springen können?

 

In unserem Seminar haben wir uns für vier Hauptbereiche für das Landetraining entschieden:

  • adäquates Aufwärmen
  • Sensomotorisches Training
  • Sprungparcours
  • Rumpf- und Beinkräftigung (Maximalkraft & Schnellkraft)

 

1) Adäquates Aufwärmen

Nach einem allgemeinen Aufwärmen, das den Körper in Betriebstemperatur bringt (z.B. 10 min Joggen), kann man anfangen, neben körperlichen Übungen geistige Anforderungen zu stellen – also Koordinationsaufgaben zu meistern. Drehungen, Einbeinstände/-sprünge oder verschiedene Arm-Bein-Koordinationen sind Beispiele dafür.

 

2) Sensomotorisches Training

Natürlich zählt ein Einbeinstand schon zur Sensomotorik und die Abgrenzung der einzelnen Trainingsbereiche ist nicht möglich. Dennoch ist das Training der Sensomotorik ein so breites und variantenreiches Gebiet der Koordination, dass es als spezielles und eigenständiges Training anzusehen ist. Hier geht es vorwiegend um die sogenannten „Propriozeptoren“. Das sind Rezeptoren in Muskeln, Sehnen und Gelenken, die unserem Gehirn direkt über das Rückenmark Rückmeldung geben, in welcher Lage sich unser Körper bzw. unsere Körperteile im Raum befinden. Daher nennt man dieses Training auch oft „propriozeptives Training“.

Hierbei handelt es sich um das Training der unbewusst gesteuerten Tiefenmuskulatur, die sich gelenknah befindet – und somit die Stabilisation der Gelenke verbessern soll. Trainiert wird hier hauptsächlich auf instabilen sowie labilen Unterlagen (Matten, Luftkissen, Gymnastikbällen etc.) und macht bei unserem Landetraining, um das es hier geht, natürlich Sinn, da wir bei jeder Bodenberührung nach einem Abgang mit großen Kräften auf unebenen (eben auch instabilen) Böden landen und unser Körper darauf reagieren muss.

Das so genannte „Beinachsentraining“ findet sich genau in dem Bereich wieder findet seit vielen Jahren zum Glück auch immer häufiger im Voltigiersport seinen Platz.

Der Körper kann nur mit Bewegungsmustern reagieren, die er kennt. Das heißt: Je mehr Landungen und Bewegungen auf verschiedensten Untergründen trainiert werden, desto mehr Chancen haben wir, dass die Propriozeption (Sensomotorik) der Körper unserer VoltigiererInnen gut funktioniert und sie vor Verletzungen/Schädigungen bewahrt. Die Variation ist hier das Schlagwort und sollte den Inhalt des sensomotorischen Trainings bestimmen!

 

3) Sprungparcours

Der Sprungparcours ist, denke ich, die bekannteste Form des Lande- bzw. Sprungkrafttrainings. Es ist ganz einfach in das Aufwärmprogramm integrierbar – auch mit sensomotorisches Teilaspekten (Wackelkissen). Außerdem ist er als plyometrisches Kräftigungsprogramm sowie als „Beschäftigung“ zwischen der Galoppdurchgänge eine sehr abwechslungsreiche Trainingsmöglichkeit, die einfach und sinnvoll in jede Voltigierstunde eingebaut werden kann. Mit Hockern, Cavalettis, Stangen, aber auch Koordinationsleitern, Ringen oder ähnlichen kleinen Hilfsmitteln können Kinder, Jugendliche und Erwachsene jedes Alters und Leistungsniveaus ihre Sprünge und Landungen verbessern. Wichtig ist allerdings, dass auch hier jede Landung kontrolliert wird (vom Sportler selbst oder von einer anderen Person), um zum Beispiel zu überprüfen, ob die korrekte Beinachse gut gehalten werden kann.

 

4) Rumpf- und Beinkräftigung

Dass die Maximal- sowie Schnellkraft der Beinmuskulatur für die Landung trainiert werden muss, ist denke ich, naheliegend. Der starke Rumpf ist aber ein so ausschlaggebendes Detail in einer korrekten Landung, sodass Sina und ich uns bei unserem Seminar dafür entschieden haben, die Hälfte des Praxisteils nur der Rumpfkräftigung zu widmen. Auch hier nimmt die Sensomotorik einen sehr großen Teil des Trainings ein (z.B. Plank auf einem Gymnastikball), aber die Grenzen sind nicht klar zu definieren und bei den meisten Rumpfübungen, die die Propriozeption stark beanspruchen, wird auch die große Rumpfmuskulatur mehr oder weniger angesprochen und somit trainiert.

Meiner Erfahrung nach ist Rumpfkrafttraining eher weit verbreitet im Voltigiersport und muss nicht extra erwähnt werden, da die Rumpfkraft für fast alle Übungen leistungsbestimmend ist.

Dass es aber unbedingt zum Landetraining dazugehört möchte ich an dieser Stelle nochmal extra betonen und war auch einer der Hauptaussagen von Sina in ihrem Theorieteil über die Biomechanik.

Abschließend möchte ich nochmal hervorheben, dass diese vier Bereiche von uns frei gewählt wurden für die Strukturierung des Seminars und es kein vollständiges Bild über das Landetraining geben kann. Auch Beweglichkeits- und Ausdauertraining können Landungen beeinflussen, genauso wie Mentaltraining von der geistigen Ebene aus.

 

Fazit:

Aus sportwissenschaftlicher – wie auch aus physiotherapeutischer Sicht sind Sina und ich eindeutig zu dem Punkt gekommen, dass das Landetraining in unserem Voltigiertraining jedesmal in irgendeiner Art vertreten sein sollte und jede Landung nur kontrolliert und vorbereitet stattfinden sollte!

Sina Reinhardt

„Keine Übung turnen unsere Voltigierer/Voltigiererinnen so häufig wie den Abgang und damit, einhergehend, die Landung. Trotzdem wird das Training der Landung oft vernachlässigt. Wir wollen immer mehr und immer höher hinaus mit unserem Sport, aber vernachlässigen dabei oftmals das Training und die gezielte Korrektur der Übung, die am häufigsten zu Verletzungen führt, sowohl zu akuten Verletzungen sowie zu Spätfolgen nach wiederholt falscher Ausführung.

Gerade als Physiotherapeutin liegt mir die Prävention, insbesondere in diesem Bereich besonders am Herzen und mit Jasmin habe ich dafür genau die richtige Seminar-Partnerin gefunden, die Theorie mit einer praktischen Übungsvielfalt zu ergänzen.

Ihre umfangreiche Sachkenntnis, ihr enormes, vielfältiges Wissen an Übungsvariationen sowie ihre Kenntnisse der Sportwissenschaft waren daher die optimale Grundlage für unser gemeinsames Seminar.“

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